Forschung 
Zusammenhänge
erkennen

Wie wir forschen

Aktuelle Herausforderungen, wie zum Beispiel der Erhalt der biologischen Vielfalt oder die Anpassung an den Klimawandel, sind äußerst vielschichtig: Heutiges Handeln hat das Potenzial, bis weit in die Zukunft zu wirken, lokale und globale Ebenen sind eng miteinander verwoben, Veränderungen des Alltagshandelns sind wichtig, aber ebenso Abstimmungsprozesse auf nationaler und internationaler Ebene.

Bei der Suche nach Lösungen stoßen einzelne wissenschaftliche Disziplinen schnell an Grenzen. Bei der Suche nach Antworten auf die aktuellen Krisen unserer Zeit arbeiten daher immer häufiger natur- und gesellschaftswissenschaftliche Disziplinen zusammen. Im Forschungsprojekt SLInBio tun wir dies auch und gehen sogar noch einen Schritt weiter: Wir forschen nicht nur interdisziplinär, sondern auch transdisziplinär. Das bedeutet, dass Wissenschaftler*innen aus Natur- und Sozialwissenschaften eng zusammenarbeiten mit Bürger*innen und Expert*innen aus der Praxis. Durch das Zusammenführen von wissenschaftlichem Wissen sowie Alltags- und Praxiswissen kann die transdisziplinäre Forschung Ergebnisse erzielen, die sich in der Praxis sehr gut bewähren. 

Wie sieht diese transdisziplinäre Forschung konkret in unserem Projekt aussieht, erfahren Sie hier.


Karstweißling

Pieris mannii ssp. alpigena

Methoden

Im Forschungsprojekt SLInBio setzen wir eine Vielzahl natur- und sozialwissenschaftlicher, aber auch transdisziplinärer Forschungsmethoden ein. Ausgewählte Methoden stellen wir Ihnen nachfolgend vor.


Insektenmonitoring

Welche Insekten finden wir auf Grünflächen wie Wiesen, Parks und Gärten in Frankfurt? Das untersuchen Forscher*innen im Projekt im Arbeitspaket 2 mithilfe von Fotobelegen (Naturbeobachtung über iNaturalist), der Erfassung von Blütenbesuchen durch Umwelt-DNA (e-DNA) und anhand von Beprobungen auf zuvor festgelegten Vergleichsflächen. Durch die Kombination dieser verschiedenen Methoden sollen vor allem die nichtinvasive Erfassungsmethode der Fotodokumentation durch Citizen Scientists und der e-DNA auf ihre Aussagekraft für zukünftige Monitoringansätze evaluiert werden. Diese zu untersuchenden Insektenteillebensräume sind jedoch meist kleinflächig und unregelmäßig über die Stadt verteilt und das Bewegen zwischen ihnen birgt viele Risiken für die Insekten – wie etwa den Verkehrstod. Um herauszufinden, inwieweit die Standortauswahl von insektenfreundlichen Grünflächen eine erhöhte Mortalitätsrate bedingt, werden außerdem tote Insekten entlang von Straßen aufgesammelt und analysiert. 

Neben der Beantwortung dieser konkreten Forschungsfragen tragen die Daten auch dazu bei, mehr über die in Frankfurt vorkommenden Arten und deren Verbreitung zu erfahren.

Weiterführende Informationen für Expert*innen: Methoden auf Grünflächen

Sozialempirische Befragungen

Welche Einstellungen haben Frankfurter Bürger*innen zum Thema Insekten und Insektenschutz und wie schlagen sich diese Einstellungen im Alltag nieder? Gibt es lebensstilspezifische Unterschiede in der Art wie die Frankfurter*innen Privatgärten und öffentliche Grünflächen nutzen und gestalten? Welche Potenziale und Barrieren für den städtischen Insektenschutz ergeben sich daraus? Diese Fragen untersuchen wir in unserer sozialwissenschaftlichen Analyse im Arbeitspaket 3. Dazu führen qualitative und quantitative Befragungen durch.

In einer qualitativen Erhebung befragen wir 25 Frankfurter Gartenbesitzer*innen (je zur Hälfte Gärten im Kleingartenverein und Gärten am Haus) zur Bedeutung und Nutzung ihres Gartens. Aus diesen Interviews wollen wir verschiedene Gärtner*innentypen herausarbeiten. Sie unterscheiden sich durch die jeweils unterschiedlichen Einstellungen und Praktiken in Bezug zum eigenen Garten. Diese Typisierung dient uns im Weiteren dazu, zielgruppenspezifische Bedarfe zu ermitteln, wie das Bewusstsein zum Schutz der Insektendiversität und die Wirksamkeit von Maßnahmen in Privatgärten gesteigert werden kann.

In einer darauffolgenden repräsentativen Befragung von Frankfurter Bürger*innen wollen wir den Einfluss von Lebensstilen auf das Wissen über Insekten und die Bereitschaft zu ihrem Schutz bestimmen. Wir überprüfen also einerseits mit den qualitativen Interviews die Zusammenhänge zwischen Lebensstil und Insektenschutz und andererseits weiten wir unseren Blick auf weitere Handlungsfelder des städtischen Insektenschutzes. Dazu erheben wir erstens das Problembewusstsein der Bürger*innen über das Insektensterben und die Zuschreibung der gesellschaftlichen und politischen Verantwortung für den Insektenschutz. Zweitens nehmen wir neben dem Gärtnern auch andere Alltagspraktiken wie Mobilität oder die Nutzung städtischer Grünflächen in den Blick.

Am Ende entsteht ein Zielgruppenmodell, das genutzt werden kann, um Frankfurter Bürger*innen für das Thema Insektenschutz in der Stadt zu sensibilisieren.

Interventionen und deren Wirkung in die Stadtgesellschaft

Interventionen sollen Bürger*innen neue Erfahrungsräume zum Thema Insekten eröffnen und zeigen, wie sie die Insektenvielfalt – zum Beispiel im eigenen Garten – unterstützen können. Zum Einsatz kommen innovative Ausstellungs- und Programmformate, die beispielsweise das Thema „Ästhetik von Insekten“ aufgreifen und dadurch Neugier und Interesse wecken. Die Interventionen sollen aber auch zur Reflexion der eigenen Einstellungen (z.B. Ekel oder Angst) und Erfahrungen mit Insekten anregen. Wie diese Interventionen wirken, untersuchen wir mit der Wirkungsevaluation. Hier geht es nicht darum, einfache Klassifizierungen in „gute“ oder „schlechte“ Interventionen vorzunehmen. Vielmehr sollen am Ende der Analyse fallstudienhafte Beschreibungen und Erzählungen über die Wirkung einzelner Interventionen entstehen. Zu diesem Zweck nutzen wir verschiedene „Bausteine“, etwa Befragungen per Fragebogen oder rückblickende Interviews mit den Durchführenden der Interventionen. Ziel der Evaluation ist es, ein besseres Verständnis davon zu haben, welche Intervention sich besonders gut eignet, um die Wertschätzung für Insekten bei einzelnen Zielgruppen zu erhöhen. 

Ökotoxikologische Wirkungsanalyse 

Wie giftig sind Stoffe für Insekten, die sich in Gärten und Kleingärten finden? Dieser Frage geht die ökotoxikologische Wirkungsanalyse in unserem Projekt nach. Dazu werden in Gärten Proben aus Böden und Teichen entnommen, die wir im Labor auf ihre Toxizität untersuchen. Konkret bedeutet das, dass wir die Proben mittels Bakterienkulturen und Hefezellen unter experimentellen Bedingungen (in vitro) genau anschauen. Um zu erfahren, wie schädlich die in den Proben enthaltenen Stoffe für Insekten sind, führen wir Tests mit „Stellvertreterorganismen“ durch, also Insektenarten, deren Reaktionen auf die Proben sich gut auf andere Arten übertragen lassen.

In Gärten werden bestimmte Stoffe häufig verwendet, etwa Filmschutzmittel für Fassaden oder Holzschutzmittel, die in Lacken oder Farben enthalten sind und beispielsweise beim Streichen von Zäunen und Gartenhäusern zum Einsatz kommen. Diese Substanzen untersuchen wir zusätzlich, um ihre Wirkungen auf Insekten genauer zu betrachten. Die Ergebnisse der Toxizitätsversuche vergleichen wir mit den Daten, die von den Forscher*innen im Bereich Insektenmonitoring erhoben werden. So entsteht ein umfassendes Bild darüber, welche Stoffe Insekten besonders zusetzen und in welchem Zusammenhang diese mit dem Verhalten der Bürger*innen in unterschiedlichen Bereichen des Alltags stehen (Freizeit, Mobilität etc.).

Weiterführende Informationen für Expert*innen: Ökotoxikologische Wirkungsanalyse (pdf)

Modellierung

Um einen Überblick über die Zusammenhänge zwischen den Lebensstilen (etwa in Bezug auf Mobilität und Wohnen), Umgebungsstrukturen und Insektenvielfalt zu erhalten, werden im Arbeitspaket 5 zwei methodische Zugänge angewendet: Mithilfe von Modellierungsansätzen werden die Daten aus den vorherigen ökologischen, sozialen und strukturellen Erhebungen zusammengeführt und in Beziehung gesetzt (hierbei kommen Korrelations- und Regressionsanalysen zum Einsatz), mit dem Ziel, Muster und Strukturen in den Daten zu erkennen. Zusätzlich wird das Wissen von Expert*innen über den Einfluss einzelner Faktoren (etwa das Aufstellen von Insektenhotels) auf die Insektendiversität und ihrer Wechselwirkungen zusammengetragen (hierfür werden Cross-Impact-Matrizen genutzt). Im nächsten Schritt wird die Stärke des Einflusses der einzelnen Faktoren auf die Insektenvielfalt bewertet (= Effektivität, hierzu wird die Sensitivitätsanalyse nach Vester genutzt). Durch diese unterschiedlichen methodischen Zugänge lassen sich mögliche Wirkungszusammenhände präziser identifizieren. So können in einem weiteren Schritt im Arbeitspaket 6 Handlungsoptionen erarbeitet werden, mit dem Ziel, Alltagspraktiken zu verändern und so zur Förderung der Insektendiversität beizutragen.

 

Arbeitspakete

Die Arbeit im Projekt SLInBio ist in sechs Arbeitspakte unterteilt. Jedes Arbeitspaket widmet sich unterschiedlichen Forschungsfragen und Forschungszielen.

Da SLInBio einen transdisziplinären Ansatz verfolgt, ist es Aufgabe dieses Arbeitspakets, die transdisziplinäre Wissensintegration abzusichern. Außerdem ist in diesem Arbeitspaket das Projektmanagement verortet.

Ansprechpartnerin: Dr. Marion Mehring, ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass insektenfreundlich angelegte und gepflegte öffentliche Grünflächen schnell von Insekten angenommen werden. Bei diesen Ergebnissen handelt es sich jedoch häufig um Momentaufnahmen, die wenig darüber aussagen, welche Auswirkungen Veränderungen bei der Pflege dieser Flächen auf Insektengemeinschaften haben. Neben den öffentlichen Grünflächen spielen auch private Gärten, Kleingartenanlagen und Straßenbegleitgrün eine wichtige Rolle für die Insektenvielfalt in Städten. Stadtökologische Studien zeigen allerdings, dass das Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Lebensräume für Insekten sehr komplex ist. Ein wichtiges Ziel dieses Arbeitspakets ist es daher u.a., das Wissen über Insektendiversität in Städten und insbesondere in der Stadt Frankfurt zu verbessern. Bei der Erhebung der Daten arbeiten wir eng mit Bürgerwissenschaftler*innen zusammen.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Steffen Pauls, Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt

Zwischen den unterschiedlichen Lebensstilen der Menschen in der Stadt und der Insektendiversität bestehen tatsächlich enge Zusammenhänge. Wenig untersucht ist bisher aber die Frage, welchen biodiversitätsfördernden oder -hindernden Einfluss urbane Lebensstile und die mit ihnen verbundenen Alltagspraktiken der Nutzung von Grünflächen im Wohnumfeld und im (halb-)öffentlichen Raum (Gärtnern, Nahrungsmittelversorgung, Naherholung, Sport, Verkehr etc.) auf die städtische Insektenvielfalt haben. In diesem sozialwissenschaftlich orientierten Arbeitspaket stehen daher die Wahrnehmung und Wertschätzung von Insekten im Mittelpunkt – wissend, dass die Wahrnehmung von Insekten durchaus ambivalent ist. Oft rufen Insekten sogar negative Gefühle wie Angst oder Ekel hervor. Die biologische Bedeutung von Insekten wird zudem vielfach unterschätzt. Übergreifendes Ziel dieses Arbeitspakets ist es daher, den Zusammenhang zwischen der Insektenvielfalt sowie Lebensstilen, Wissen, Einstellungen und Alltagspraktiken in der Stadtgesellschaft empirisch zu untersuchen. Von besonderem Interesse ist dabei ganz konkretes Handeln von Bürger*innen in ihrem Alltag, das direkten Einfluss auf die Lebensbedingungen von Insekten hat. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wollen wir zeigen, wie Bürger*innen aktiv zum Erhalt der urbanen Insektenvielfalt beitragen können.

Ansprechpartner: Dr. Immanuel Stieß, ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung

Bisherige Bemühungen zum Erhalt der Insektenvielfalt sind davon ausgegangen, dass Informations- und Bildungsangebote ausreichen, um einen besseren Schutz der Insektendiversität zu erreichen. Immer seltener, das zeigen Studien, erleben Menschen in der Stadt jedoch eine vielfältige Insektenwelt. Das hat zur Folge, dass auch die Bereitschaft zurückgeht oder das Wissen fehlt, Insekten zu schützen. Aufgabe des Arbeitspakets ist es, vielfältige Gelegenheiten zu schaffen, bei denen Neugier und Interesse am Thema Insekten geweckt, eigene Vorstellungen und Erfahrungen in Bezug auf Insekten reflektiert und Wege zur Förderung der Insektenvielfalt aufgezeigt werden. Dazu wollen wir sogenannte Erfahrungsräume für ein gemeinschaftliches Erleben von Insekten in der Stadt gestalten. Dazu gehören auch Angebote, die es ermöglichen, die Auswirkungen des eigenen Alltags auf die Insektendiversität in den Blick zu nehmen. Hierfür bieten wir eine Reihe von unterschiedlichen Formaten an, wie z.B. Veranstaltungen, Umweltbildung oder Citizen-Science-Aktivitäten.

Ansprechpartner: Dr. Florian Dirk Scheider, ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung

Eine ganze Reihe sogenannter Stressoren gelten als wichtigste Treiber des aktuellen Biodiversitätsverlusts bei Insekten. Städte können einerseits Rückzugsorte für Insekten sein. Andererseits sind hier Insekten, abhängig von spezifischen Alltagspraktiken, besonderen Gefahren ausgesetzt, die zum Beispiel aus unterschiedlichen Pflegestrategien von Gärten und Kleingewässern, dem Pestizideinsatz in Gärten, der Schadstofffreisetzung aus Baustoffen oder durch Gewerbe und Industrie resultieren. Wir untersuchen daher experimentell und modellbasiert die Zusammenhänge zwischen ausgewählten Alltagspraktiken und der Insektendiversität. In den Blick genommen werden die Bereiche Erholung im Grünen, Mobilität und Verkehr, Bauen und Wohnen sowie Ernährung – und die Frage, wie Bürger*innen in diesen Bereichen mit Insekten interagieren und wie sie die Lebensbedingungen von Insekten direkt oder indirekt beeinflussen. Ziel ist es, praxisnahe Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie konkret die Insektenvielfalt in diesen Bereichen gefördert werden kann.

Ansprechpartner: Prof. Dr. Jörg Oehlmann, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Ökologie, Evolution und Diversität

In diesem Arbeitspaket geht es darum, die Forschungsergebnisse aufzubereiten und einer breiten (Fach-)Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Damit soll ein Mehrwert geschaffen werden, der auch über die Projektlaufzeit hinausreicht. Im Mittelpunkt stehen die Bereiche Erholung im Grünen, Mobilität und Verkehr, Bauen und Wohnen sowie Ernährung. Um eine gute Übertragbarkeit der Forschungsergebnisse in die Praxis zu gewährleisten, werden aus den gewonnenen Ergebnissen außerdem Empfehlungen für andere Städte und Regionen abgeleitet und über geeignete Transferformate und -kanäle relevanten Zielgruppen zur Verfügung gestellt. Die Empfehlungen benennen auch Synergien, mögliche Hemmnisse sowie auftretende Konflikte, die für eine erfolgreiche Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen berücksichtigt werden sollten.

Ansprechpartnerin: Dr. Marion Mehring, ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung


Unsere Arbeitspakete (AP) im Überblick


Ansprechpartner 

Dr. Marion Mehring

Koordination und transdisziplinäre Wissensintegration;
Synthese und Übertragbarkeit
 

mehring@isoe.de
ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung

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Prof. Dr. Steffen Pauls

Biodiversitätsmonitoring
 

steffen.pauls@senckenberg.de
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt

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Dr. Immanuel Stieß

Lebensstile und Alltagspraktiken
 

stiess@isoe.de
ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung

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Dr. Florian Dirk Schneider

Interventionen in die Stadtdiskurse
 

florian.schneider@isoe.de
ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung

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Prof. Dr. Jörg Oehlmann 

Sozial-ökologische Wirkungen
 

oehlmann@bio.uni-frankfurt.de
Goethe-Universität Frankfurt am Main 
Institut für Ökologie, Evolution und Diversität

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Ergebnisse

Hier finden Sie in Kürze unsere Forschungsergebnisse.

 


Großes Heupferd

Tettigonia viridissima