Eine Arbeitsgruppe des Forschungsprojekts SLInBio hatte die Aufgabe, bei den Frankfurter Bürger*innen Neugierde am Thema Insekten zu wecken. Dazu wurden interaktive Möglichkeiten entwickelt, sich kritisch mit der eigenen Einstellung zu den Sechsbeinern auseinanderzusetzen. Es entstanden Formate zur Wissensvermittlung – aber auch künstlerische Methoden kamen zum Einsatz. Florian Schneider (ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung) und Max Bugert (Senckenberg Naturmuseum) sind Teil der Arbeitsgruppe und geben Einblicke in ihre Arbeit rund um innovative Möglichkeiten, die Welt der Insekten kennen und schätzen zu lernen.
Florian, du leitest die Arbeitsgruppe, die verschiedene Formate entwickelt, um das Thema „Insekten in der Stadt“ für die Bürger*innen Frankfurts erlebbar zu machen und Interessierte in das Projekt einzubinden. Was war aus deiner Sicht besonders wichtig, damit das gelingt?
Florian Schneider: Erlebnisse aus erster Hand beeindrucken Menschen immer mehr als Infotafeln oder Erzählungen. Solche Gelegenheiten, eigene Erfahrungen zu machen, wollten wir im Projekt für verschiedene Zielgruppen anbieten. Das heißt, wir haben das Thema „Insekten in der Stadt“ einerseits für die klassischen Orte der Umweltbildung aufgearbeitet, wie im Senckenberg Naturmuseum oder im Palmengarten. Andererseits haben wir das Thema in den öffentlichen Raum getragen, etwa in Form von Kunstaktionen, um damit auch Menschen zu erreichen, die sich noch nicht für Naturthemen interessieren. Viele sehen durch solche Formate zum ersten Mal, dass auf der Blumenwiese so viele verschiedene Tiere unterwegs sind, oder dass die Flügel von Motten unter dem Mikroskop wunderschön und vielfältig sind. Und gerade, wenn man diese Erlebnisse mit anderen Menschen teilt, können sich Perspektiven verändern. So gelingt es, dass sich Menschen mit dem Schutz der Insektenvielfalt identifizieren und selbst aktiv werden – beispielsweise im eigenen Garten.
Es gibt auch „Citizen-Science-Angebote“ im Projekt. Was bedeutet das genau?
Max Bugert: Dabei handelt es sich um Angebote, bei denen wir Interessierte aktiv in unsere Forschung eingebunden haben. Über Online-Meldeplattformen wie iNaturalist oder Insekten-Hessen konnten sie beispielsweise mit eigenen Fundmeldungen einen Beitrag zum Insekten-Monitoring im Rahmen von SLInBio und darüber hinaus leisten.
Wir haben auch Aktionstage veranstaltet, bei denen sich die Teilnehmenden über Insekten, die Forschungsarbeiten im Rahmen unseres Projekts und die damit verbundenen Citizen-Science-Angebote informieren und zusammen mit Expert*innen aus dem Projekt auf Insektensuche gehen konnten.
In einigen eurer Angebote vermischen sich Ansätze aus sozial- und naturwissenschaftlicher Forschung mit künstlerischen Aktivitäten – wie in der Tanzperformance von Anno Bolender, die im Sommer an mehreren Orten in der Stadt aufgeführt wurde. Welche Vorteile haben solche Formate?
Florian Schneider: Ich denke, mit einer rein wissenschaftlichen Perspektive auf das Thema Insektenvielfalt werden wir nur einen kleinen Teil der Menschen überzeugen, mehr für den Schutz von Insekten zu tun. Die Kunst kann hier etwas ändern, indem sie eine Relevanz schafft und Inhalte auf der emotionalen Ebene vermittelt: Die Tanzperformance von Anno Bolender hat auf einfühlsame Weise die Lebenswelt von Insekten in der bisweilen sehr lauten und lebensfeindlichen Umgebung der Stadt vermittelt, aber auch die Neugier, mit der Menschen Insekten begegnen, künstlerisch in Szene gesetzt. Das hat das Publikum berührt.
Künstlerische Auseinandersetzung ist auch ein Erkenntnisprozess, der wissenschaftliche Herangehensweisen ergänzt: Sie entdeckt Insekten in der Stadt mit ganz anderen methodischen Zugängen, indem sie auf Formen und Materialien schaut, oder auf Geräusche.
Was sind die größten Herausforderungen in der Konzeption einer guten (Mitmach-)Aktion und wie meistert ihr sie?
Max Bugert: Bei den bisherigen Veranstaltungsformaten haben wir festgestellt, dass der Wissensstand zu Insekten sehr unterschiedlich, insgesamt aber gering ist. Eine gute Mischung aus Grundlagenvermittlung und „Faszination-für-Insekten-wecken“, aber auch aktuellen Forschungsfragen war entscheidend. Um die Balance zwischen Einstieg und Vertiefung zu schaffen, haben wir viele Veranstaltungen in Gruppen aus Vermittler*innen und Wissenschaftler*innen angeboten und damit ganz unterschiedliche Zielgruppen erreicht.
Eine sehr praktische Herausforderung bei der Planung von Veranstaltungen außerhalb des Museums war übrigens das Wetter. Ein Plan B für drinnen ist immer gut.
Florian Schneider: Jedes Veranstaltungsformat muss auch sein Publikum finden. Das erfordert zum Teil enormen Aufwand, wenn man ganz neue Orte bespielt. Hier können wir als Forschungsinstitut noch einiges lernen und neue Partnerschaften eingehen.
Wer nimmt an den Angeboten teil? Gibt es Zielgruppen, die ihr gerne erreichen würdet, aber bisher noch nicht erreicht?
Max Bugert: Bisher wurden unsere Veranstaltungsangebote im Museum und auch darüber hinaus hauptsächlich von Schulklassen, Familien mit jüngeren Kindern und Menschen im Ruhestand genutzt. Wir würden jedoch gerne mehr junge, naturinteressierte Erwachsene erreichen. Hier fehlen noch die richtigen Kanäle. Am Thema „Insekten“ liegt es nicht, denn selbst die Personen, die Insekten zunächst eher ablehnend gegenüberstehen, können schnell für die Formen- und Farbenvielfalt der kleinen Sechsbeiner begeistert werden.
Florian Schneider: Wir können mit den künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum viele Menschen auf das Thema aufmerksam machen. Manche wäre vielleicht nicht ins Museum oder in den Palmengarten gekommen, sie sind sozusagen im Vorbeigehen „hängengeblieben“. Das ist aber eher die Ausnahme im Projekt. Menschen, die sich nicht für Naturthemen interessieren, weil es nicht Teil ihrer Lebenswirklichkeit ist, werden auch nicht an die Orte kommen, an denen die Vermittlungsangebote stattfinden. Hier wollen wir zukünftig ansetzen.
Gerade bei der Insektenbeobachtung und -bestimmung für Citizen-Science-Projekte könnte ich mir vorstellen, dass man mehr junge Menschen mit dem Sammel- und Spielfaktor begeistern könnte. Für den Aufbau einer stabilen Citizen-Science-Community braucht es aber einen langen Atem, spezialisierte Institute und die entsprechende finanzielle und personelle Ausstattung.
Wird es auch über die Projektlaufzeit hinaus Angebote der Projektpartner geben, die neue Erfahrungen und kritisches Reflektieren zum Thema Insekten in der Stadt ermöglichen?
Max Bugert: Einige Exponate und Inhalte der Sonderausstellung „Stadtinsekten“ bleiben dem Senckenberg Naturmuseum auf jeden Fall erhalten. Auch einige der entwickelten Vermittlungsformate, wie der Insekten-Workshop für Schulklassen oder die beliebte Insekten-Mikroskopierstation in der „Aha?! Forschungswerkstatt“, dem museumspädagogischen Ausstellungsbereich, bleiben Teil des Museumsprogramms.
Außerdem entwickeln wir derzeit Materialien für Lehrkräfte, die über die Projektlaufzeit hinaus abrufbar sein werden. Dort fließen viele Erfahrungen aus Vermittlungsformaten des Projekts ein.
Florian Schneider: Die Verstetigung von kontinuierlichen Angeboten zum Thema Insekten ist eine Herausforderung für alle am Projekt beteiligten Einrichtungen – denn die finanziellen Mittel sind begrenzt und mit dem Ende des Forschungsprojekts erst einmal ausgeschöpft. Gerade das Thema „Citizen Science“ wird uns am ISOE auch in künftigen Projekten weiter begleiten. Wir werden unsere Erfahrungen mit den verschiedenen Interventionsformaten außerdem auch veröffentlichen, sodass andere Akteure und Projekte davon profitieren können.