Welche Aufgabe hat der NABU Frankfurt im Projekt SLInBio?
Najua Saleem: Im Forschungsprojekt SLInBio ist der NABU Frankfurt als Praxispartner und Multiplikator beteiligt. Durch unser Netzwerk und unsere Angebote für Kinder, Jugendliche und Erwachsene stellen wir eine Schnittstelle zwischen den beteiligten Forschungsinstituten und der Stadtgesellschaft im Frankfurter Raum her.
Dabei schaffen wir für die Bevölkerung, ob groß oder klein, Erfahrungsräume und vermitteln Wissen. Was die Teilnehmenden mitnehmen: Insekten mit mehr Wertschätzung zu begegnen. Anstatt einem anfänglichen abwehrenden „Insekten sind eklig“, wollen wir die Wahrnehmung zu einem respektvollen, zutraulicheren und wertschätzenden Gefühl wandeln. Auch erfahren die Teilnehmenden gemeinsam alltagstaugliche Infos über den Schutz und Erhalt der Insektenwelt. Denn was wir lieben und schätzen, das schützen wir!
Konkret bieten wir zum Beispiel Aktionen an, bei denen die Insekten- und Pflanzenwelt auf Naturerkundungs-Spaziergängen entdeckt, Lebensräume auf dem Schulhof oder Betriebsgelände erforscht und Wohnräume für Insekten gestaltet werden können. Außerdem haben wir Workshopangebote zum Thema „Insektenvielfalt durch das Jahr erleben“. In Anlehnung an die Vogelzählung laden wir außerdem zwei Mal im Jahr zur Mitmach-Aktion „NABU Insekten Sommer“ ein.
Was war für den NABU Frankfurt das Highlight der bisherigen Projektlaufzeit?
Najua Saleem: Das schönste Highlight ist die entstandene Kooperation zwischen den Projektpartnern. Gemeinsame Vorhaben und der Austausch von Expertise können durch die enge Vernetzung nicht nur im Projekt, sondern auch über die Projektlaufzeit hinaus fortgeführt werden. Dazu zählen etwa Projektwochen an Schulen, die in Zusammenarbeit mit dem ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung, dem Senckenberg Naturmuseum, dem Palmengarten und dem NABU stattfinden. Schulkindern haben wir dadurch im Projektverlauf bereits positiv prägende Insektenkunde anbieten können. Doch auch andere Bildungs- und Freizeiteinrichtungen sind sehr interessiert an gemeinsamen Vorhaben, wie die Lehrerkooperative und das MainÄppelHaus am Lohrberg.
Welche Herausforderungen siehst du für die restliche Laufzeit des Projektes, also bis Ende dieses Jahres?
Najua Saleem: Herausfordernd ist neben dem Planen, Durchführen und Umsetzen von Konzepten, die Projektverstetigung anzustoßen – also die wichtigsten Ideen und Impulse des Projektes auch langfristig weiterzutragen. Eine weitere Herausforderung ist es, zu evaluieren und aufzuzeigen, welche Wirkungen unsere Aktionen zum wertschätzenden Umgang mit Insekten bei der Stadtgesellschaft tatsächlich erreichen.
Inwieweit wird der NABU konkret dazu beitragen, diesen Herausforderungen zu begegnen?
Najua Saleem: Wir planen, die Konzepte dieses Jahr so umzusetzen, dass sie nach der Projektlaufzeit weitergeführt werden können. Dazu stehen wir im engen Austausch mit unseren Kooperationspartnern. Auch möchten wir neue Aktionen stärker mit bereits existierenden NABU-Angeboten verknüpfen und unsere Erfahrungen in Form von Handreichungen an Multiplikatoren innerhalb und außerhalb des NABU-Verbands weitergeben.
Die gesellschaftliche Wirkung unserer Angebote können wir dank der Zusammenarbeit mit dem ISOE evaluieren.
Der NABU Frankfurt engagiert sich ja auch außerhalb des Projektes für Insekten. Kannst du uns dieses Engagement näher beschreiben?
Najua Saleem: Zusätzlich zu den SLInBio-Aktionen bietet der NABU Frankfurt Mitgliedern und Naturinteressierten Möglichkeiten, sich bei zahlreichen Veranstaltungen, Exkursionen, Vorträgen und Pflegeeinsätzen rund um Insektenvielfalt einzubringen. Dazu gehören etwa Angebote zum Pflegen von Streuobstwiesen, insektenfreundliche Mäh- und Schnittkurse, Kurse zum Bau von Insektennistplätzen oder die Möglichkeit, sich beim naturnahen Gemeinschaftsgarten in Sachsenhausen zu beteiligen. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene können sich außerdem in der offenen Kindergruppe für den Schutz von Natur und Umwelt engagieren.
Was sind aus deiner Sicht die drängendsten aktuellen Aspekte in Hinblick auf den Insektenschutz?
Najua Saleem: Zu den drängendsten Aspekten zählt der dramatische Rückgang der Insektenpopulation. Laut Studien gibt es nur noch ein Viertel an Insektenmasse im Vergleich zu vor 30 Jahren! Dieser Rückgang der Bestäuberinsekten bedroht unsere weltweite Nahrungsmittelproduktion und außerdem die Ernährung anderer Lebewesen. Was wir brauchen, sind umweltverträglichere Anbaumethoden in der Landwirtschaft, um die Biodiversität zu erhalten und ökologische Auswirkungen zu minimieren.
Was kann jede*r Einzelne dazu beitragen, die Insektenvielfalt zu erhalten?
Najua Saleem: Ganz grundsätzlich, indem jede*r Einzelne den Insekten als Mitbewohnende mit Respekt begegnet. Auch dadurch, was und wie wir einkaufen, können wir die Vielfalt erhalten, indem wir Wert auf ungespritztes, regionales und saisonales Obst, Gemüse und Getreide legen und Fleisch aus artgerechter Tierhaltung kaufen.
Außerdem ist es immer gut, die eigene Artenkenntnis zu erweitern und mit offenen Augen und Ohren wahrzunehmen und selbst zu erforschen, was um uns herum brummt, summt, krabbelt oder fliegt.
Unser soziales Umfeld können wir sensibilisieren, indem wir unsere Familie, Freunde und Nachbarn an unserer Begeisterung und unseren Erkenntnissen teilhaben lassen. Im eigenen Umfeld können wir verbesserte Lebensräume mit Unterschlupf und Nahrung für Sechsbeiner bieten, zum Beispiel, indem wir Stapel aus unbehandeltem Holz anlegen, lose Steine anhäufen, nur zweimal im Jahr Rasen mähen oder kleine Inseln stehen lassen, die die insektenfreundliche Pflanzenvielfalt vergrößern.
Vor allem ist es wichtig, uns bewusst zu werden, wie bedeutend und bezaubernd die kleinen Tiere sind: Welche Raffinesse sie zum Überleben anwenden, getarnt oder in schillernd leuchtender Farbenpracht, wie sie sich andere Insekten als Haustiere halten, wie sie uns als natürliche Nützlinge im Garten oder auf dem Balkon unterstützen, das Wasser sauber halten und uns den köstlichen Apfelkuchen ermöglichen.
Also am besten individuell oder in Gemeinschaft einen leicht umsetzbaren ersten Beitrag finden, um mit der Insektenwelt respektvoll und auf Augenhöhe zu leben!